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Rolf Claus, ehemaliger Parteisekretär Kraftwerk Thierbach

Kennen Sie die Hochhalde Trages? Sie inspirierte Helmut Richter zu der Zeile „Über sieben Brücken musst du gehn“. Daraus entstand eine Erzählung und schließlich ein berühmt gewordenes Lied zum gleichnamigen Film. Der Text ist ihm bei einer Befahrung der Aschehalde an der Espenhainer Kippe eingefallen. Beim Überqueren von einigen Stegen kam ihm diese Idee. Meine Erinnerungen beziehen sich auf die Zeit von 1972 bis 1989. Ich wurde 1972 zum Parteisekretär des VEB Kraftwerk Thierbach gewählt. Fortan war ich für die Arbeit mit den Ingenieuren, Spezialisten und Arbeitern aus der Sowjetunion, den Volksrepubliken Polen und Ungarn sowie für die Ausbildung von jungen Menschen aus Vietnam, der Mongolei, Spezialisten aus Indien und Kräften der sowjetischen Garnison Borna zuständig. Die Chefmontage des Kraftwerkaufbaus erfolgte unter sowjetischer Leitung. 1971 nahm bereits eine sowjetische Spezialistengruppe von Ingenieur-, Bedienungs- und Reparaturpersonal ihre Tätigkeit auf. Die Gruppe wurde in den Neubauten der Straße des 18. Juni in Leipzig untergebracht. Der Einsatz der Gruppe erfolgte auf Regierungsebene. Die Menschen waren im Kraftwerk sehr beliebt und nahmen aktiv am Brigade- und Betriebsleben teil. Sie hatten Ahnung, wie man so sagt. Ihr Einsatz wurde im Frühjahr 1973 beendet. Die VR Polen war vom Aufbau bis zur Schließung des Kraftwerks präsent mit Leitungs- und Facharbeiterpersonal. Das waren hauptsächlich Männer. Es gab abgestimmte Verträge auf Regierungs-, Ministeriums- und Kombinatsebene. Wir erhielten Kapazitäten zugeteilt und erzielten mit Betrieben der VR Polen Abkommen über Reparatur- und Instandhaltungsaufgaben. Diese beinhalteten auch Aufgaben für das Kraftwerk Lippendorf. Der Einsatz der Kräfte erfolgte über eine eigene Leitung der Polen in unserem Kraftwerk. Viele polnische Arbeiter waren im Arbeiterwohnheim in Kitzscher untergebracht, zusammen mit Montagearbeitern aus der DDR. Ähnlich gestalteten sich auch die Beziehungen zu ungarischen Arbeitern im Kraftwerk. Allerdings waren viel weniger Ungarn im Einsatz. Sie beschäftigten sich vorwiegend mit der Instandhaltung der Entaschungsanlagen. Viele von ihnen sind in unserem Kreis wohnhaft geblieben, haben geheiratet und Familien gegründet. Die meisten, mit denen ich guten Kontakt hatte, leben nicht mehr, ich bin selbst schon 80 Jahre alt. 1977 eröffnete eine eigene Betriebsberufsschule auf dem Werksgelände. Hier bildeten wir Lehrlinge für die Energiewirtschaft und auch vietnamesische und mongolische Jugendliche aus. 1978 begrüßte ich die ersten 25 jungen Vietnamesen. Sie waren Kämpfer der Volksbefreiungsarmee gewesen und wurden zur Ausbildung als BMSR11-Mechaniker zu uns geschickt. Der Aufenthalt dieser vietnamesischen und mongolischen Arbeiter war nur für einen begrenzten Zeitraum vorgesehen. Es wurde nichts unternommen, sie hier zu halten, und sie sind alle nach Ablauf der Verträge wieder zurückgegangen. In meiner Erinnerung gab es kaum Konflikte untereinander, wir lebten vernünftig zusammen. Die Arbeiter waren
alle in die Arbeitskollektive integriert und wurden zu verschiedenen Veranstaltungen eingeladen. Die Arbeitsbedingungen waren schwer für alle. Die Vertragsarbeiter waren den DDR-Bürgern bei der Entlohnung gleichgestellt. Heute gibt es ja in der Region auch viele Arbeiter beispielsweise aus EU-Ländern. Die werden aber vermutlich geringer entlohnt als deutsche Staatsbürger.


11 Facharbeiter für Betriebsmess-, Steuerungs- und Regelungstechnik,
ein Ausbildungsberuf in der DDR.

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