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Abb.: Arbeitsvertrag von Janusz Pleban mit der polnischen Firma „Izokor-Instal“ für die Tätigkeit im Kraftwerk Thierbach im Zeitraum vom 20.04.1976 bis zum 31.12.1976.

Janusz Pleban, ehemaliger polnischer Arbeiter in den Kraftwerken Thierbach und Lippendorf

Ich kam 1976 als gelernter Industriezimmermann in die DDR, um beim Gerüstbau in den Kraftwerken Thierbach und Lippendorf zu arbeiten.
Ich hatte einen Vertrag über drei Jahre mit der polnischen Firma „Izokor-Instal Płock“. Als ich auf dem Weg nach Espenhain mit dem Zug in Leipzig ankam, dachte ich, ich bin in die falsche Richtung gefahren und in der Sowjetunion angekommen. Es war viel Sowjetarmee auf den Straßen zu sehen. Das kannte ich nicht aus Polen. Die Luft in Espenhain war sehr schlecht und es stank, wenn man das Fenster öffnete. Ich kam aus Galizien in Südpolen hierher. Dort war es schön grün, mit Wäldern und Teichen.
Espenhain dagegen war total dreckig. Ich wurde nach sechs Wochen erstmal krank. Ich bekam von Glaswolle Ausschlag und musste deswegen ins Krankenhaus. Wir wurden gut bezahlt. Die Hälfte vom Lohn ging in US-Dollar aufs polnische Konto, damit konnten wir dann in Polen im „Pewex“ einkaufen. Das waren – vergleichbar mit dem „Intershop“ in der DDR – Geschäfte mit Westwaren, die in den staatlichen Geschäften nicht erhältlich waren. Mit den Kollegen kam ich gut aus. Wir arbeiteten teilweise zusammen mit DDR-Kollegen. Wir hatten gute Verhältnisse zueinander, ich halte bis heute mit einigen noch Kontakt. Es gab auch viele Aktivitäten, die von der polnischen Firma aus organisiert wurden, zum Beispiel Fahrten nach Buchenwald oder nach Leipzig ins Theater und zu großen FDJ12-Sportveranstaltungen. Es gab auch Fußballturniere damals in Borna, unsere polnische Mannschaft trat gegen die DDR-Mannschaften an. Ich spielte bei der Mannschaft der polnischen Firma „Kopex“ in Espenhain. Wir belegten damals den zweiten oder dritten Platz, wenn ich mich richtig erinnere. Ich wohnte zuerst in einem der Neubaublöcke auf der Otto-Heinig-Straße in Espenhain. Es gab da Eingänge für die polnischen Arbeiter und andere für die DDR-Monteure. Wir lebten teilweise zu sechst in einer Dreiraumwohnung. Meine Frau lernte ich schon ganz am Anfang kennen. Ich sprach kaum Deutsch, wir haben praktisch zusammen geübt. Das war wie in dem Film „Über sieben Brücken“. Sie lernte aber fleißiger und schneller Polnisch als ich Deutsch.
Die polnische Firma ging nach drei Jahren weg aus Espenhain. Ich blieb bei meiner Partnerin. Für mich wäre es damals auch okay gewesen, mit ihr nach Polen zu gehen, die Lebensverhältnisse wären auch dort für uns gut gewesen. Aber meine Partnerin hatte sechs Geschwister, und ich kam mit der ganzen Familie gut aus. So entschieden wir uns, in Espenhain zu bleiben. Ohne Arbeitsvertrag besaß ich jedoch vorerst keine Papiere und konnte deswegen nicht arbeiten. Ich pendelte längere Zeit mit dem Zug zwischen Espenhain und Polen hin und her, um diese vielen Bescheinigungen für eine Heirat zu besorgen. Das war alles kompliziert, es waren immerhin 760 Kilometer. 1979 heirateten wir und ich begann, in Rötha als Zimmermann zu arbeiten. Einen DDR-Ausweis erhielt ich auch.
Die polnische Staatsbürgerschaft behielt ich aber bis heute. Nach der Wende machten die Werke schrittweise zu. Die Luftverschmutzung stabilisierte sich durch die Schließungen nach und nach. Ich arbeitete bis zur Rente noch im Kraftwerk Lippendorf. Wir lebten bis vor 15 Jahren noch in der Otto-Heinig-Straße. 2005 sind wir erst weggezogen. Persönlich betroffen waren wir nicht von Konflikten vor oder zur Wendezeit. Ich hab von sowas gehört, in Kitzscher zum Beispiel gabs wohl viel Ärger. Es gab zwar auch Rechte in Espenhain. Ich hab mich aber nicht versteckt. Die wussten, wo ich herkam. Da hatten wir wohl Glück im Unglück.
Bis heute halte ich Kontakt zu meiner Familie und zu Freunden in Polen.
Mit unseren Kindern sprachen wir zu Hause Deutsch. In den jährlich stattfindenden vierwöchigen Urlaubsaufenthalten in Polen lernten die Kinder automatisch die polnische Sprache.


12 Freie Deutsche Jugend, staatlich geförderte Jugendmassenorganisation
in der DDR.

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