Abb.: Artikel von Karl-Heinz Scholz (in Swahili übersetzt) zu 53 Personen aus der Volksrepublik Mosambik, die eine Ausbildung im Braunkohlekombinat Espenhain machen, darunter 4 Frauen; aus:
Sauti ya Urafiki – die Stimme der Freundschaft, Monatsausgabe aus der Deutschen Demokratischen Republik, 6/ 1980, Zeitungsverlag: Verlag Zeit im Bild, G.D.R. – 8012 Dresden, Foto: Siegfried Thienel

Bodo Schindler, ehemaliger Betreuer der Auszubildenden im Kombinat Espenhain

Ich war Beauftragter des Kombinatsdirektors im Kombinat Espenhain und betreute unter anderem die Auszubildenden im Kombinat. Daher hatte ich auch mit den Arbeitern aus Mosambik Kontakt. Nehmen Sie die Zahlen nicht so genau: 1979 kamen 53 Mosambikaner zur Ausbildung nach Espenhain, darunter vier Frauen. Im Vorfeld war sogar der Arbeitsminister von Mosambik in Espenhain zu Besuch. Sie absolvierten eine vierjährige Ausbildung als Instandhaltungsmechaniker und Elektromonteure. Zuerst machten sie einen circa 12-wöchigen Deutschkurs an der VHS Leipzig. Die Grundausbildung erhielten sie in der Polytechnik (von Leipzig aus kommend an der B95 rechts gegenüber vom Werk). Die Frauen machten dieselbe Ausbildung. Danach wurden sie den Werkstätten zugeteilt und arbeiteten mit den Facharbeitern zusammen. In der Berufsschule Espenhain, damals in Birkenhain (ein ehemaliges Arbeitslager), erhielten sie die theoretische Ausbildung.

Sie waren alle in einem Wohnblock der Otto-Heinig-Straße in Espenhain untergebracht. Es gab einen Gemeinschaftsraum im Erdgeschoss, eingesetzte Wohnheimbetreuer kontrollierten die Situation. Ich würde aber sagen, dass die Mosambikaner nicht abgeschottet wurden. Die Gruppe der Auszubildenden kam ja im September 1979 in Espenhain an. Wir überlegten, was wir zu Weihnachten für sie veranstalten könnten. Schließlich starteten wir einen Aufruf in den Brigaden, jeweils eine/n Auszubildende/n aus Mosambik zu Weihnachten bei sich aufzunehmen. Darauf meldeten sich 50 Familien und alle konnten zum Weihnachtsfest in die Espenhainer Wohnstuben eingeladen werden. So entwickelten sich auch freundschaftliche Kontakte. Leider sind die betreffenden Familien heute schwer zu befragen, viele sind ja bereits gestorben. Es gab auch eine mosambikanische Kulturgruppe, die in kleinen Veranstaltungen tanzten und musizierten. Und es wurden auch Besuche von Schulklassen durchgeführt, z.B. in Belgershain.

Besuch einer Schulklasse in Belgershain, vermutlich 1979/80

Das Lehrlingsentgeld war etwas höher als für DDR-Lehrlinge, sie wurden kostenlos verpflegt und erhielten auch angemessene Winterkleidung. Die ganze Gruppe trug einheitliche Arbeitskleidung und ging immer gemeinsam zum Mittagessen. Das sah ein bisschen so aus, als wären sie uniformiert und marschieren. Sie mussten aber nicht marschieren und es handelte sich um zivile Kleidung. Eine der vier Frauen in der Gruppe hieß Isabel und war circa 20 Jahre alt. Sie war bereits bei der Einreise schwanger. Sie versuchte die Schwangerschaft vorerst geheimzuhalten, was nicht lange gut ging. Sie wurde von der Kreisärztin (im damaligen Kreis Borna) zum Schwangerschaftsabbruch gedrängt. Bei einer Ultraschalluntersuchung in der Uni-Klinik Leipzig wurde jedoch festgestellt, dass sie im 5. Monat schwanger war. Somit konnte der Abbruch verhindert werden. Das Kombinat Espenhain und die jeweiligen Betreuer waren rechtlich nicht dafür verantwortlich zu machen. Das Kind war nachweislich bereits vor Ausreise aus Mosambik gezeugt worden, der Vater blieb unbekannt. Isabel sollte sofort zurück geschickt werden, aber unter anderem ein Professor der Klinik hat dagegen argumentiert. Schließlich entband Isabel ihr Kind im Kreiskrankenhaus in Borna. Es war ein Mädchen. Isabel war wohl vier Wochen mit dem Neugeborenen zu Hause, danach wurde das Baby jedoch die ganze Woche über in eine Wochenkrippe in Thierbach gegeben. Nur am Wochenende war das Kind bei der Mutter. Ungefähr 3 Monate nach der Geburt wurde Isabel dann zurück geschickt. Ich brachte sie mit dem Auto nach Berlin zum Flughafen Schönefeld. Ein Arzt betreute ihre Rückbringung nach Mosambik. Ich kann Ihnen nicht sagen, wo sie genau herkam. Sie sprach und verstand zwar relativ gut deutsch, da ja alle Auszubildenden einen Deutschintensivkurs besuchten. Aber sie war doch sehr verschlossen. Isabel war so jung, in einem fremden Land, verstand noch nicht so gut die Sprache und die ganzen Umstände mit der Schwangerschaft – das war schon alles sehr überfordernd, denke ich heute. Es ist sehr schade, dass mir ein sehr schönes Foto von dem Baby abhanden gekommen ist. Für das Bild ist extra die Werksfotografin ins das Krankenhaus gekommen.

Auftritt der mosambikanischen Kulturgruppe, Ort und Datum unbekannt, zw. 1979-82